Ausverkauf der Künste

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Zu diesem Schluss kommen 64 Künstler aller Alters- und Reifeklassen im VII. Bezirk von Budapest. Dort eröffnete vergangene Woche eine zeitgenössische Kunstausstellung mit Verkauf. In undergroundigem Flair werden verschiedenste Facetten bildender Kunst angeboten. Die Künstler wollen sich mit dieser Idee unabhängiger vom Geld machen ? und versuchen dies ausgerechnet durch die Gewinnung eines neuen Kundenstamms.

 
Künstlerstolz und Vorurteil
 
Hip und avantgardistisch, jung und irgendwie undergroundig, gepaart mit einem Schuss Großspurigkeit, gibt sich die Galerie. ?Megfizethetetlen? - ?Unerschwinglich? (unbezahlbar, unschätzbar) ist der Titel der Galerie und Kunstmesse, die genau das Gegenteil zum Programm hat: Sie soll den Beweis erbringen, dass Kunst nicht nur etwas für reiche Bürger ist. Denn, so belehren die Veranstalter: ?Kunst ist nicht unerschwinglich, sondern preislos. Weil ihr Wert nicht mit dem anderer Konsumgüter vergleichbar ist, ist sie nicht unerreichbar, weder im Geist noch im Preis.? Es geht auch darum, ?Vorurteile abzubauen?, wie Katja Melzer, Jurymitglied, betont. Das Vorurteil vor allem, Originalkunstwerke seien so teuer, dass sie sich der Normalsterbliche gar nicht leisten könne. Aus diesem Grund wurde für die Werke der Galerie, die auch eine Messe ist, ein Höchstpreis von 25000 HUF (etwa 100?) angesetzt. 
 
David Geshem, Jurymitglied und Leiter der PRESENT Gallery (einem gemeinnützigen Verein), die die ganze Veranstaltung trägt, betont, es ginge darum, ?die Kunst vom Geld unabhängiger zu machen?. Tore sollen mit der Messe geöffnet werden, die bisher verschlossen waren, und die hohen Mauern zwischen der Welt und der Kunstszene eingerissen werden ? einmal benutzt Geshem sogar das angesichts des Ortes unangemessene Wort ?Ghetto?, in dem sich KünstlerInnen seiner Meinung nach heute befänden. Es geht auf die sieben zu, die Eröffnung naht, und Geshem entschuldigt sich. Innerhalb weniger Minuten sind die zuvor so leeren Räume gepackt voll. Kaum sind die Tore geöffnet, so scheint es, strömen die ? wieder überwiegend jungen ? Leute in die Hallen, die die Kunst bedeuten. Der Blickfänge gibt es dort genug.
 
Mit Beamern werden zwei grüne, außerirdisch anmutende Glaskunstwerke an die Außenwände im Innenhof projeziert. Drinnen sind die Wände, obwohl teilweise farbig, grau überputzt, was eine schmutzige, lässige Stimmung erzeugen soll. Und von den Decken hängt, so glaubt man, eine merkwürdige, futuristische Art von Kronleuchtern, wie Blumensträuße von Licht ? bis man überrascht feststellt, dass es sich bei den Kronleuchtern um aneinandergeheftete Plastikflaschenböden handelt. Zwei Bars, Welcome-drink und Livemusik (Klassik und Jazz) begleiten das Kunstshopping. Bei den Bildern handelt es sich um Graphiken aller Art, sie reichen von klassischen Lithographien in düsteren oder rauhen Farben bis hin zu Streetart; es finden sich spielerische Experimente mit Formen und Farben ebenso wie düstere, nachdenkliche Bilder. Ausgewählt wurde ? unter einer Flut von Bewerbungen ? vor allem nach Repräsentativität der zeitgenössischen Kunst. Kunststudierende, junge Künstlerinnen und auch einige in der Kunstszene große Nummern wie Gyula Pauer, der u.A. das Holocaustmahnmal ?Schuhe am Donauufer? mitgestaltete, sind dem Aufruf gefolgt. 64 KünstlerInnen aus dem In- und Ausland haben so insgesamt über 200 Werke eingereicht.
 
Die Konsumhaltung schlägt zurück
 
Der Ersteindruck der Ausstellung ist auch unzweifelhaft sympathisch. Mit viel Initiative und wenig Geld - ?wir alle arbeiten hier für low- bis no- budget?, sagt Melzer ? wurde hier einiges auf die Beine gestellt, den Künstlern ein Ausstellungsraum und ein Forum geschaffen und dem Publikum ein Angebot unterbreitet, das sicherlich viele cool und undergroundig genug finden, um es in Anspruch zu nehmen. Der Versuch aber, durch die Erschließung eines neuen Kundenkreises die Unabhängigkeit der Kunst vom Geld zu erreichen, mutet reichlich paradox an. Denn auch, wenn nicht mehr die reichen Mäzenaten, sondern die mehr oder weniger ahnungslosen Normalverbraucher den Markt bestimmen sollten, wird eine Schere der Zensur erzeugt, sei sie auch unsichtbar.
 
Das zeigt sich schon in der Auswahl der Jury: Auch Sachen, ?die zu sehr in eine Richtung gehen?, zu ?abgefahren? gewesen seien, wurden nicht in die Ausstellung aufgenommen, wie Melzer erzählt. Schön konsumierbar muss das ideale Kunstwerk also sein, so dass man es sich dekorativ über den Esszimmertisch hängen kann, oder suggestiv-grüblerisch, damit man sich am Schreibtisch wichtig vorkommen mag ? die Vergleichbarkeit mit anderen ?Konsumgütern?, die die Jury in ihrer Ausschreibung leugnet, schlägt zurück. So lange das Kunstwerk eine Ware ist, von deren Verkauf die Künstler leben, ist die Abhängigkeit vom Geld gegeben. Die Kunst bleibt, auch wenn sie sich eine Massengrundlage verschafft, ein Stück weit dekadent. Dazu kann sie sich, auch durchaus selbstbewusst, bekennen ? oder wieder, wie zu vergangenen Zeiten, nach Pfaden der Emanzipation suchen, die gehaltvoller sind als der besprochene Versuch, und von der mehr Menschen profitieren als die ach-so ghettoisierten Künstler.
 
Frederic Heine, Pester Lloyd
 
 
MEGFIZETHETETLEN - grafikai kiállítás és m?vészeti vásár
PRESENT SALON, Síp ut. 7, Budapest, VII. Bezirk, III. Stock / 13. Tür / Klingel: #59.
Öffnungszeiten : Bis 24. Dezember 2009., 16:00 ? 20:00 Uhr.
Eintritt frei