Rückkehr zum Theater

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Am Weihnachtstag wird in Budapest eine Neuinszenierung von Mozarts Zauberflöte Premiere haben. Die Produktion der Ungarischen Staatsoper wird im Vígszínház, dem Lustspielhaus am Ring, gezeigt. Damit kehrt Mozarts Wunderwerk in ein Haus zurück, das dem Ort der Uraufführung, dem Freihaustheater An der Wieden, näher kommt als die repräsentativen Rampen königlicher Prägung, auf denen es sonst als Publikumsmagnet herhalten muss.
 
 
Zweifellos ist die Rückkehr ans Theater eine gute Nachricht für ein Werk, das Mozart als Märchenoper für die Vorstadt geschaffen hat, das aber dennoch viel mehr als nur eine vergnügliche Unterhaltung, eine Maschinenoper ist. Verharmlosung ist der häufigste Gebrauch, den diese klassizistische Synthese des größten musikdramatischen Genies auszuhalten hatte. Mozarts Zauberflöte überstand bisher auch folgenlos alle Belastungstests der postmodernen Theatersprache, von surrealistischer Fabulierung als experimenteller Zirkus (La Fura Dels Baus) bis hin zu reaktionärer Verweigerung (z.B. Helmuth Lohner an der Wiener Volksoper). Sie bleibt erhebend, rätselhaft und klassisch schön, was immer der Einzelne daraus lesen mag. Mozart wirkt unabhängig von seinen Interpreten, sein Werk ist der universelle Beweis für Schillers Satz von der Schönheit als Freiheit der Erscheinung.
 
Der Regisseur der Budapester Neuinszenierung, László Marton, sieht die Sache mit einer bewundernswerten Naivität, die uns daran erinnert, dass es der erste Papageno, der Theatermacher Emanuel Schikaneder war, der die Oper inspirierte und den Text schrieb. Marton liest in Mozarts Zauberflöte eine Geschichte vom Erwachsenwerden. "Für mich ist die Zauberflöte eine wundervolle, verspielte, mysteriöse und sehr lehrreiche Reise von zwei jungen Menschen ins Erwachsensein. Eine Reise von der Dunkelheit ins Licht, von der Kindheit ins Älterwerden. Der Weg ist voll mit Hürden, Prüfungen, Geheimnissen und Versuchungen.", sagt er und offenbart damit schon eine ganze Reihe von Widersprüchen, die aufzulösen, er aufgefordert ist. Die Drohung von publikumswirksamer Flachheit steht zumindest im Raum. Das ambivalente Gebahren von Sarastros Sekte kann er uns kaum als ein Lehrerkollegium vorstellen und warum steht die Jugend für die Dunkelheit und das Erwachsensein fürs Licht? "...am Ende ihrer Reise haben die beiden Hauptcharaktere Adieu zu ihrer Jugend zu sagen." So? In welcher Partitur steht denn das? Nun, Marton hält Mozarts Musik auch für "wunderbar einfach", womit er vielleicht ihre Klarheit meint, die, wenn alles gut geht, ihn noch überfallen wird.
 
Helfen wird der Inszenierung die wahrlich fürstliche Ausstattung des Bühnenbildners, des gefeierten Kanadiers Micheal Levine, der bereits an der Met arbeitete, also darauf getrimmt ist, seine Kreativitiät für einen ungefähren Massengeschmack wirkungsvoll zu verbiegen. Überlebensgroße Gestalten, viel Farbe und Projektion sowie eine Menge Gefuchtel gehören nun einmal dazu. Auch sonst spart die Oper nicht an Personal. In der Erstbesetzung stechen die international gefeierten Sänger Erika Miklósa als Königin der Nacht und László Polgár als Sarastro ins Auge. Mit Szabolcs Brickner kann man sich auf einen jungen frischen Tamino freuen, der bereits im letzten Jahr im Fidelio positiv auffiel und die Pamina ist gleich mit drei fantastischen Sängerinnen, die auch darstellen können besetzt: Júlia Hajnóczy, Gabriella Fodor, Eszter Wierdl. - "Das Besondere an der Oper ist, dass es sowohl von Musikprofis als auch vom Publikum als Meisterwerk anerkannt wird." sagt Ádám Fischer, Generalmusikdirektor des Opernhauses, der die Neuinszenierung musikalisch leiten wird und sich ganz hörbar darauf freut.
 
 
Dass 1896 eröffnete Vígszínház / Lustspieltheater, erbaut von den damals omnipräsenten Fellner und Helmer, entstand in der Blüte Budapests als k+k Residenzstadt, die gerade eine Theaterrenaissance erlebte. Das Viertel hinter der Ringstraße gehörte nicht gerade zu den feinen, im Gegenteil, hier hausten finstere Banden und Ganoven, grad ebenso wie in der Wiedener Vorstadt in Wien, wo das Theater, auf dem die Zauberflöte zur Welt gebracht wurde, zu der Zeit aber schon der Stadterneuerung zum Opfer fiel. Im Lustspielhaus hatten Stücke von Ferenc Molnár Premiere, der auch heute so etwas wie der spiritus rector des Hauses ist, es gab so manchen Skandal, hier wurde Theater noch gemacht und nicht verwaltet. Auch in sozialistischen Zeiten erhielt es sich eine Spur künstlerischer Unabhängigkeit, die Treue des Publikums war der Lohn. Die etwas mehr als 500 Plätze bieten für das Zauberflöten-Spektakel zwar die richtige Dimension, aber weniger Karten, weshalb baldiger Erwerb empfohlen sei.
 
Pester Lloyd / -red, m.s.
 
Fotos: Vígszínház, Aufnahmen von den Proben, Plakat der Ung. Staatsoper
 
Aufführungsdaten:
25., 27., 29. Dezember 2009, 16., 17., 20. Januar, 17., 18., 19., 20. Februar; 24., 25., 27., 28. März; 8., 9., 23., 24. April; 15., 16., 20. Mai 2010
 
Infos und Tickets: www.opera.hu www.pestiszinhaz.hu