Johannes Calvin, hier János Kálvin, wurde vor 500 Jahren geboren. Für die vergleichsweise starke kalvinistische Gemeinde in Ungarn, immerhin nach den Katholiken die größte Glaubensgemeinschaft in Ungarn, ein großes Jahr. In fünf Jahren jährt sich zudem der Todestag dieses resolutesten aller Reformatoren zum 450. Male, Grund genug für die ungarischen Reformierten fünf Jahre durchzufeiern.
Die Reformation hatte auch in Ungarn ihre verschiedenen Richtungen eingeschlagen und erfasste zwischenzeitlich fast alle Einwohner. Die drastischen Lehren Kalvins, zwischen Puritanismus und Selbstverleugnung, Gottesfürchtigkeit und militantem Glaubensbekenntniss kam vor allem den ärmeren Schichten zu Pass, und jenen kleinadeligen Ungarn, die eine neue Religion als Waffe für Machtkämpfe nutzen wollten. Stand diese Ideologie doch in krassem Gegensatz zur verschwenderischen Dekadenz oft fremder Adliger und Kirchenfürsten des Landes. Fast 80%, so schätzt man, waren Ende des 16. Jahrhunderts m damaligen Ugnarn von der katholischen Kirche abgefallen. Im 17. Jahrhundert nutzten Habsburger, gemeinsam mit einheimischen Jesuiten die Ungunst der Türkenbelagerungen, um die Untertanen auf den "rechten Glauben" zurückzurühren, was nur teilweise gelang, aber doch gelang. Das kalvinistische Zentrum Ungarns war und ist Debrecen, es war immer auch Symbol und Ausgangspunkt antihabsburgischer Revolten und patriotischer Akte, teils genüsslich unterstützt aus dem protestantischen Preußen. Hier tagte unter dem "Schutz" der Reformierten auch der freie Reichstag mit Kossuth 1848. Immerhin 15% der Ungarn bekennen sich heute zu den Lehren Kalvins. Leider kommen aus dem Umkreis mancher kalvinistischen Pfarreien auch einmal rechte Hetzparolen, so ist z.B. bei den Vereidigungzeremonien der rechtsextremen "Ungarischen Garde" immer auch ein einschlägig bekannter "Reformierter" dabei, der dem Spuk seines Gottes Segen erteilt. Immerhin kann er sich bei Kalvin auf einen Reformer berufen, der selbst zum ideologischen Extremismus neigte und auch die Verfolgung Andersgläubiger betrieb.
Eine ausführliche und sehr aufschlussreiche Geschichte der Reformation und des Kalvinismus in Ungarn (zumindest bis 1989) findet sich auf dieser (offiziellen) Seite der Reformierten Kirche. http://www.reformatus.hu/deutsch/geschichte.htm
Im Budapester Historischen Museum wird die Zeit der Reformation und die Geschichte des Kalvinismus jetzt in einer umfangreichen Sonderausstellung gewürdigt. Es werden anhand von vielen Ausstellungsstücken die Lebensbedingungen zu Zeiten der Reformation in Ungarn erläutert. Kunstgegegenstände, illustrierte (heilige) Schriften und vieles mehr zeigen die Wirkungen der Reformatoren in Ungarn. In einem anderen Abschnitt wird die Lebenswelt und die Erziehungsmethoden der Kalvinisten illustriert, auch die Verfolgungen, denen sie zu verschiedenen Zeiten ausgesetzt waren. Das Museum müht sich recht, dem Thema so umfänglich wie möglich nahe zu kommen, ohne dabei zu irgendwelchen ideologischen Schlüssen oder Aussagen zu verleiten. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Lehre und ihren Folgen für Gemüt und Gesellschaft wurde freilich auch durch die Mitarbeit einer kalvinistischen Diözese verhindert, die dafür sorgte, dass vor allem das positiv Prägende kalvinistischer Geister und die religiösen Relikte aus Architektur und Kunsthandwerk in den Vordergrund gerückt wurden. Dafür erhalten die Besucher dennoch einen stimmungsvollen und einen einmaligen historischen Überblick zum Thema.
"Kalvin und das kulturelle Erbe des Kalvinismus entlang der Donau", bis 15. Februar
Im Historischen Museum (in der Budaer Burg)
Weitere Informationen, auch in englischer Sprache zur Ausstellung: www.btm.hu